Donnerstag, 11. März 2010

Liebes Tagebuch, Teil 4

1. Juni

Liebes Tagebuch,

Ich komme mir irgendwie beobachtet vor.
Ich weiß nicht genau woran es liegt, es ist nur so ein Gefühl, aber ich verspüre andauernd den Drang über meine Schulter zu blicken und nachzusehen, ob ich wirklich alleine bin. Langsam fange ich schon an mich paranoid zu fühlen.
Aber ich könnte schwören, dass da gestern jemand hinter mir auf der Treppe war, als ich in den Keller gegangen bin, um meine Wäsche zu waschen. Ich weiß, Keller sind eigentlich der perfekte gruselige Ort, aber das jagt mir normalerweise keine Angst ein. Anna, eine meiner Flurnachbarinnen, kam vielleicht zwei Minuten später in den Keller und sie hat niemanden auf der Treppe bemerkt.
Ich weiß wirklich nicht was mit mir los ist. Im Moment bin ich auch total schreckhaft und zucke schon bei dem kleinsten Geräusch oder einer unerwarteten Bewegung von jemandem zusammen. Meine Kommilitonen schieben das lachend auf durchlernte Nächte und die Angst vor den langsam näher rückenden Prüfungen, doch ich bin mir da nicht so sicher. In meinem Magen hat sich jetzt schon seit längerer Zeit ein ungutes Gefühl festgesetzt, das nicht mehr verschwinden will. So als ob irgendetwas Schlimmes passieren wird und ich weiß nur noch nicht, was es sein wird.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass mich Jeremy und Andrew prüfend ansehen, wenn sie glauben, ich sehe es nicht. Ich weiß nicht genau, ob ich mich dadurch geschmeichelt fühlen soll oder ob es mich nervt. Vielleicht haben sie einfach nur einen riesigen Beschützerinstinkt, den sie auf jemanden projizieren können. Eigentlich gefällt mir das sogar ganz gut, wenn ich so drüber nachdenke. Ich wollte schon immer große Brüder haben, die auf mich aufpassen.
Ich weiß nicht genau, ob dieses fast schon körperliche Unwohlsein, das ich empfinde, von den anderen überhaupt wahrgenommen wird. Sie sind wahrscheinlich viel zu sehr mit ihren eigenen Sorgen beschäftigt, um sich um meine zu kümmern. Das ist wohl auch besser so, da ich niemanden beunruhigen will, obwohl ich manchmal das Gefühl habe, Andrew könnte in mir wie in einem Buch lesen.
Ich habe absolut keine Ahnung, wie er das anstellt.

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