Sonntag, 24. September 2006

Verlassen

Verlassen

Warum hast du das getan? Warum bist du einfach gegangen? Hast dich auf den Weg gemacht ohne ein Wort des Abschieds oder der Erklärung. Du lässt mich alleine mit dem Chaos meiner Gefühle und deinen ungelösten Problemen.
Sag mir, was ich ohne dich machen soll? Wir haben doch alles gemeinsam getan, waren nie wirklich alleine und waren doch auch glücklich damit. Oder nicht?
Wir waren die besten Freunde, schon von Kindesbeinen an, gingen gemeinsam zur Schule und trotzten allen Widrigkeiten zusammen. Na gut, manchmal gingen wir auch getrennte Wege, mussten unser eigenes Ich entdecken, wie du es nanntest.
In diesem Jahr sahen wir uns gar nicht, aber wir verloren nie den Kontakt, schrieben Briefe und telefonierten. Du sagtest immer wie gut es sei, meine Stimme zu hören.
Dann plötzlich standest du wieder vor meiner Tür und ich erkannte dich fast nicht wieder. Du warst erwachsen geworden, nicht mehr der schlaksige Junge von früher.
Wir redeten viel über alte Zeiten, über Dinge, die wir noch nie besprochen hatten und es war eine glückliche Zeit.
Unsere Freundschaft wurde erneuert und vertiefte sich, aber auch wir hatten uns verändert, sahen den anderen durch neue Augen und entdeckten für uns unbekannte Facetten.
Fast ohne das wir es bemerkten, wurde aus Freundschaft mehr, viel mehr als wir erwartet und uns jemals erträumt hatten. Wir hatten die Liebe entdeckt, die Liebe füreinander.
Wir erlebten die ersten Küsse und Streicheleinheiten und plötzlich war da eine Scheu, die wir noch nie erlebt hatten.
Berührungen hatten wir auch schon früher ausgetauscht, doch jetzt ging es tiefer, viel tiefer als früher und wir entdeckten, dass wir auch nur eine Frau und ein Mann waren, deren Seelen in Liebe zueinander entbrannt waren.
Alles war wunderbar und bald fingen wir an über heiraten und Kinder zu sprechen. Zwischen uns herrschte ein tiefes Vertrauen, wie es wohl nur bei verwandten Seelen vorkam, jedenfalls schien es mir so.
Wir redeten über alles was uns bewegte, teilten unsere Gedanken mit dem anderen. Oder etwa nicht?
Heute weiß ich es kann nicht so gewesen sein, denn sonst wärst du nicht gegangen, hättest mich nicht verlassen.
Wenn ich nur gewusst hätte, was in deinem Kopf vorging, die Probleme hätten wir sicher lösen können, zusammen.
Doch du hast dich für einen anderen Weg entschieden, alleine vor deinem Leben davonzulaufen.
Bist in dein Auto gestiegen, als ich nicht da war, und einfach losgefahren. Kamst zu den Klippen, an denen wir so viele schöne Stunden verbracht hatten und fuhrst einfach geradeaus, mit geschlossenen Augen und ohne zu bremsen.
Der Wagen überschlug sich und blieb dann hängen, der Arzt sagte mir später, du wärst sofort tot gewesen.
In deiner Tasche fanden sie einen Zettel, auf dem stand ‚Verzeih’.
Doch wie kann ich dir verzeihen, dass du mich verlassen hast?

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