Dienstag, 18. August 2009

Hostaenyali

Ich wurde gestern mal wieder von einer Idee gepackt, die mich nicht mehr losgelassen hat und die ich aufschreiben musste. Ich hoffe es gefällt euch.


Hostaenyali

Wie viele Erinnerungen kann ein Mensch in sich tragen ohne verrückt zu werden?
Ich weiß es nicht, denn ich bin kein Mensch. Doch ich trage Erinnerungen in mir, so viele, das ich schon lange aufgehört habe sie zu zählen.
Wir nennen uns die Hostaenyali, ihr würdet uns wohl als Erinnerungssammler bezeichnen, denn das tun wir, wir sammeln Erinnerungen, die ihr absichtlich vergesst oder die, die euch wie Nebel zwischen den Fingern zerrinnen. Die Guten und die Schlechten, die Kleinen und die Großen. Wenn einer von euch stirbt, dann sind wir da, denn keine Erinnerung darf ver­lo­ren gehen.
Ich weiß nicht genau, wann das alles angefangen hat und wer uns befohlen hat eure Er­in­ne­run­gen zu sammeln, das scheint selbst aus unseren Erinnerungen verschwunden zu sein. Doch wir machen unsere Arbeit, jeden Tag aufs Neue gehen wir hinaus und sammeln eure Er­in­ne­run­gen, jeden Tag.
Es gibt nicht sehr viele von uns und eigentlich sehen wir uns auch nicht so häufig, denn wer auch immer uns geschaffen hat, hat uns zu Einzelgängern gemacht. Wenn wir uns auf der Stra­ße treffen, nicken wir uns vielleicht kurz zu, doch meistens gehen wir einfach aneinander vor­bei ohne uns zu beachten.
Wir kommen meistens nur in Kontakt, wenn wir ins Kontor gehen, das Lager der Erin­ne­run­gen. Jede Erinnerung muss genau kategorisiert und katalogisiert werden, damit sie zu jedem Zeit­punkt wieder gefunden werden kann. Sie werden mit allen Informationen in Prismen ge­speichert und verstaut. Ich habe keine Ahnung, wer irgendwann auf diese ganzen In­for­ma­ti­o­nen zugreifen will oder ob es so jemanden überhaupt gibt. Doch mein Ausbilder würde sagen, dass mich das nichts angeht. Ihr wundert euch vielleicht, doch auch wir müssen lernen, wie die Erinnerungen gesammelt werden.
Die ersten Jahre meines Lebens dachte ich, ich wäre ein Mensch, denn auch wir werden ge­bo­ren. Doch irgendein seltsamer Wink des Schicksals ließ mich nicht zu einem Menschen son­dern zu einem Hostaenyali heranwachsen. Mit dreizehn beginnen wir zu fühlen, dass wir an­ders sind als andere. Eigentlich ist das nicht ganz richtig, denn wir wussten auch schon vor­her, dass es da noch etwas anderes gibt.
In dieser Zeit tritt unser Ausbilder an uns heran und sagt uns was wir eigentlich schon wuss­ten, das es für uns eine andere Aufgabe gibt. Nachdem uns erklärt wurde, wie Erinnerungen ge­sammelt werden, können wir die Theorie gleich in die Praxis umsetzen. Wir sammeln die Er­innerungen an uns von unserer Familie und allen die uns kennen, denn wir sind wie Geister, nie­mand darf von uns wissen. Dann wird uns das Ablagesystem des Kontors erklärt und was wir sonst noch darüber wissen müssen. Die letzte Handlung des Ausbilders ist, dir zu zeigen, wie du die Erinnerungen wieder aus deinem Kopf löschst. Dann wirst du deiner Wege ge­schickt und deine Ausbildung ist beendet. Wir haben so etwas wie einen integrierten Er­in­ne­rungs­detektor, der uns immer an den Ort führt, an dem eine Erinnerung zu sammeln ist.
So sieht mein Leben aus und an den meisten Tagen meiner Existenz halte ich diese Gabe eher für einen Fluch, wenn ich wieder einmal mitten in der Nacht schreiend aus einem Alptraum er­wache. Denn ich bin nicht nur anders als ein Mensch, ich bin auch anders als die anderen Hos­taenyali.
Ich kann nicht vergessen.

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